Vor dem Stadtbrand errichtet
Schmallenberg (lwl). Bauforscher des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) haben das sogenannte "Schmalen Haus" in Schmallenberg untersucht. Das Ergebnis: Das außergewöhnliche Fachwerkhaus entstand in mehreren Bauabschnitten. Es ist eines der wenigen Gebäude im Ort, die im Kern bereits vor dem verheerenden Stadtbrand von 1822 errichtet wurden. Angesichts der neuen Erkenntnisse zeichnet das LWL-Denkmalfachamt das "Schmalen Haus" als Denkmal des Monats November aus.
"Anlass für die Untersuchung war ein geplanter Umbau des Gebäudes", erzählt LWL-Bauforscher Carsten Neidig-Hensgens. "Hierfür sollte im Rahmen einer Voruntersuchung die Baugeschichte geklärt werden, damit diese bei den Planungen berücksichtigt werden kann."
Wenig war bis dahin über das seit den 1980er-Jahren als Stadtarchiv genutzte Haus bekannt. Die Bezeichnung "Schmalen Haus" bezieht sich auf den im 19. Jahrhundert bezeugten Bewohner Balzer, genannt Schmale. "Wann das Haus errichtet wurde und ob es spätere Umbauten gab, war unbekannt", so Carsten Neidig-Hensgens.
Schon beim äußeren Blick auf die nördliche Trauffassade fielen den Bauforschern vom LWL mehrere Besonderheiten auf. Um sie festzuhalten, erstellten sie ein Orthofoto. Das ist ein perspektivisch entzerrtes Foto, das wie ein Architekturplan verwendet werden kann. "So zeigte sich im Fachwerkgefüge eine Dreiteilung in einen östlichen, einen mittleren und einen westlichen Teil", erläutert Bauforscher Neidig-Hensgens.
Gestützt wird dieser Befund durch Abbundzeichen, also die Markierungen der Zimmerleute zum korrekten Zusammenfügen der einzelnen Hölzer. "Im mittleren und östlichen Teil kamen unterschiedliche Abbundzeichensysteme zum Einsatz, im westlichen Teil fehlen sie ganz", so der Experte vom LWL.
Auch das Innere des Gebäudes spricht für die These einer Dreiteilung. Im Keller ist nur der Teil unter dem Mittelbau als Gewölbekeller aus historischem Bruchsteinmauerwerk errichtet, der östliche Teil ist neueren Datums. "Im Dach zeigten sich an den vermuteten Stellen Unterbrechungen der Holzkonstruktion", erzählt der Bauforscher. "Hier wurde das Dach des mittleren Gebäudeteils sowohl nach Osten als auch nach Westen erweitert."
In den beiden Hauptgeschossen stellte sich die Lage etwas schwieriger dar, da hier das Fachwerk nahezu vollständig verkleidet ist. Ein eindeutiger Hinweis fand sich aber doch: Genau an der Nahtstelle vom Mittelbau zur westlichen Erweiterung zeigt sich in beiden Geschossen kurz unterhalb der Decke jeweils ein nach Westen gerichtetes Inschriftenband. "An dieser Stelle ergibt dies nur dann Sinn, wenn es ursprünglich von außen sichtbar war, wenn also die westliche Erweiterung erst später angebaut wurde", erklärt Carsten Neidig-Hensgens.
"Nach Klärung dieser relativen Chronologie der Bauphasen war es unser Ziel, auch eine absolute Chronologie zu erstellen, die die einzelnen Bauphasen naturwissenschaftlich verifiziert auf eindeutige Jahreszahlen eingrenzt", so der Bauforscher. Dazu kam die Dendrochronologie zum Einsatz, die Holzdatierung anhand der Untersuchung der Jahrringweiten.
Das Ergebnis: "Ein im Keller eingebautes Kernholz konnte auf die Zeit um 1570 datiert werden, eine jahrgenaue Datierung war hier nicht möglich. Untersuchungen der Dachhölzer hingegen ergaben für den Mittelbau als Fäll- und damit Baudatum das Jahr 1804, wobei in Teilen Hölzer - vermutlich eines Vorgängerbaus - ebenfalls des letzten Drittels des 16. Jahrhunderts wiederverwendet wurden. Die Erweiterung nach Osten erfolgte 1831. Die westliche Erweiterung entzog sich einer genaueren Datierung", fasst Carsten Neidig-Hensgens zusammen.
So konnten die LWL-Bauforscher beweisen, dass das "Schmalen Haus" eines der wenigen Häuser Schmallenbergs ist, das im Kern noch vor dem verheerenden Stadtbrand 1822 errichtet wurde. "Die Rußspuren und die Störungen in der Fassade lassen vermuten, dass es zumindest in Teilen von den Flammen beschädigt wurde", nimmt LWL-Bauforscher Neidig-Hensgens an. Er und seine Kollegen werden das "Schmalen Haus" während des Umbaus weiter erforschen und hoffen auf weitere Erkenntnisse.
Hintergrund: Das "Schmalen Haus" in Schmallenberg
Das "Schmalen Haus" verfügt über einen längsrechteckigen Grundriss, der im Westen polygonal endet, fast wie der Chor einer Kirche. Zwei Fachwerkgeschosse erheben sich über einem nur von außen zugänglichen, steinernen Keller, der mit seinen zwei Bereichen das Gebäude nur in Teilen unterfängt. Der große Dachraum ist nicht ausgebaut und verfügt zur Rathausseite hin über ein großes Zwerchhaus. Teilweise sind die Hölzer im Dach stark verrußt.
Die Lokalisierung des Hauses am Hang und seine äußerst dicke Südmauer im unteren Geschoss geben Anlass zu der Vermutung, dass ein Teil der alten Stadtmauer Schmallenbergs hier beim Bau wiederverwendet wurde.
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